Jahresbericht-Rueckblick-2020

Jahresbericht der Gemeindeleitung 2020
Eine tolle Gemeindefreizeit, rappelvolle Konzertabende, Weihnachts- und Ostergärten mit
mehr als tausend Besuchern, offene Ausstellungen – dazu Taufen, Abendmahl, das
normale Gottesdienstprogramm mit Gesang und Begegnungen bei Kaffee und Kuchen.
Was hätte es für ein großartiges Jahr bei uns in der Friedenskirche werden können.

Aber kaum war die Jahresmitgliederversammlung Anfang März 2020 vorüber - eine der
letzten Veranstaltungen, die noch ganz normal stattfanden, begann ein Jahr der vielen
Hätte-Wäre-Wenns. So vieles ist ausgefallen, so vieles war nicht möglich. Und trotzdem
blicken wir auch mit Dankbarkeit auf die vergangenen 12 Monate zurück, denn sie waren -
trotz aller Entbehrungen und Schwierigkeiten auch voller Segen, gefüllt mit wunderbaren
Momenten, schönen Erlebnissen und Entwicklungen.

Ein sehr zwiespältiges Jahr - auch für uns als Gemeindeleitung, die wir uns in den 12
Monaten nicht nur in einer ganz neuen Konstellation mit neuen GL-Mitgliedern und einem
Wechsel im Ältestenkreis zusammenfinden durften, sondern auch konfrontiert waren mit
einer Situation, die alles andere als gewöhnlich war - und immer noch ist. Unsere
Sitzungen fanden zu großen Teilen per Videokonferenz statt - mit allen Vor- und
Nachteilen. Trotz der gewöhnungsbedürftigen Umstände haben wir in den vergangenen 12
Monaten ein sehr gutes und vertrauensvolles Miteinander gefunden.

Zwei sehr große Themen haben das Jahr und damit auch unsere Arbeit als
Gemeindeleitung sehr stark geprägt: das war zum einen das Jahresmotto „Vielfalt.leben“.
Und das war zum anderen natürlich Corona. Beides Themen mit einer sehr speziellen und
eigenen Dynamik - jeweils verbunden mit Herausforderungen, aber auch mit etlichen
positiven Entwicklungen.

Der Reihe nach: Ganz abrupt kam das Gemeindeleben Mitte
März zum Erliegen. Der erste Lockdown. Keine Gottesdienste mehr in der Kirche, der
Ostergarten – schon komplett aufgebaut – musste abgesagt werden. Am ersten Sonntag
ohne Gottesdienst haben wir uns als Gemeindeleitung zu einer Sondersitzung in der
leeren Kirche vor dem aufgebauten Golgathaberg getroffen. Eine seltsame Atmosphäre.
Dort, wo jetzt eigentlich hätte gesungen, gebetet, gelacht und erzählt worden wäre, war
plötzlich: Stille. Und die Frage: Was nun? Was ist möglich? Wie geht Gottesdienst im
Lockdown? Am Anfang gab es jeden Tag eine Andacht per Email oder WhatsApp oder
auch einmal pro Woche per Brief. Sonntags hat Hendrik Kissel aus seinem Arbeitszimmer
gepredigt – übertragen bei Facebook oder per Telefon. Alles sehr ungewohnt, aber viele
haben die täglichen Meldungen aus der Gemeinde auch als einen Anker in stürmischen
Zeiten erlebt.

Und es war ja auch nur vorübergehend – kurz nach Ostern konnten wir uns wieder vor Ort
in der Friedenskirche treffen. Da ahnte ja noch niemand, dass es nicht das letzte Mal war,
dass wir den Gottesdienst nach Hause verlegen mussten. Erstmal gewöhnten wir uns ans
Summen statt Singen, an Desinfektionsmittel und Namenslisten, saßen in so großen
Abständen zueinander, dass wir zeitweise zwei Gottesdienste hintereinander gefeiert
haben, weil sonst gar nicht alle in die Kirche gepasst hätten.

Zusätzlich haben wir entschieden, jeden Gottesdienst auch übers Internet nach Hause zu
übertragen – für all die, die auf Nummer sicher gehen wollten. Erst noch recht verwackelt per Handykamera, von
Monat zu Monat wurden die Übertragungen immerprofessioneller. Auch dank großzügiger Spenden, die genau zu diesem Zweck
eingegangen sind. Inzwischen kann es die Friedenskirche schon fast mit einem echten
Profistudio aufnehmen – spätestens mit dem zweiten Lockdown hat sich das als echter
Segen erwiesen. Inzwischen erreichen uns regelmäßig Nachrichten und Reaktionen von
Menschen, die unsere Gottesdienste im Internet verfolgen, obwohl sie noch nie bei uns in
der Kirche waren. So entdecken wir, dass wir hier einen ganz neuen Weg gefunden
haben, um Menschen zu erreichen - ohne Corona wäre das nicht passiert. Wir werden das
auch nach Corona beibehalten und unsere Gottesdienste weiter übertragen.

Doch erstmal war Sommer – und da fühlte sich vieles schon fast wieder normal an. Wir
haben sogar coronagerecht getauft. Der Täufling hatte vorher an unserem neuen
Glaubenskurs Spur 8 teilgenommen – acht Abende mit Entdeckungen im Land des
Glaubens. Geplant noch vor der Pandemie – dann umgeplant, aber nicht abgesagt. Eine
segensreiche Entscheidung. Und eine folgenreiche: denn auch dieses Konzept werden wir
fortsetzen, in 2021 wird es eine Wiederholung von Spur 8 geben. Aber auch bis dahin
sollen die Donnerstag-Abende zu einem festen Bestandteil des Gemeindelebens werden.
Im zweiten Lockdown haben wir mit dem Programm „Trüffelschwein“ einen
Videokonferenz-Hauskreis über das Internet gestartet - an dem zum Teil bis zu 20
Menschen teilnehmen - auch da sowohl aus der Gemeinde als auch darüber hinaus.
Segensreich.

Aber natürlich können und wollen wir nicht so tun, als sei das mit Corona spurlos und ohne
Blessuren an uns vorübergegangen. Wir nehmen wahr, dass vor allem das Fehlen der
Präsenzgottesdienste vielen zu schaffen macht. Manche stellen die Frage, ob das wirklich
nötig sei. Schließlich seien Gottesdienste doch in bestimmtem Rahmen erlaubt. Wir haben
als Gemeindeleitung sehr bewusst entschieden, dass wir - solange der Lockdown gilt -
keine Präsenzgottesdienste, sondern ausschließlich Gottesdienste über das Internet oder
per Telefon durchführen. Wir haben als Kirche Verantwortung, gegenüber unserer
Mitgliedern, für die auch der Weg zum Gottesdienst kein Infektionsrisiko sein soll. Vor
allem aber haben Kirchen auch eine gesellschaftliche Verantwortung: wenn das Virus sich
vor allem dadurch eindämmen lässt, dass es deutlich weniger soziale Kontakte gibt. Und
wenn es so ist, dass je weniger Menschen wir treffen, umso schneller der Lockdown
beendet werden kann, dann wollen wir unseren Beitrag dazu leisten und das bedeutet - so
schwer es uns fällt: keine Gottesdienste vor Ort. Dafür aber jede alternative Möglichkeit,
die wir auf die Beine stellen können. Auch die meisten anderen Gemeinden unseres
Bundes und fast alle Charlottenburger Kirchengemeinden haben das so entschieden.
Trotzdem ist das ein tiefer und schwerer Einschnitt - und nicht jede und jeder sieht das
genauso. Die meisten Rückmeldungen, die wir erhalten, haben uns aber darin bestärkt,
lieber vorsichtig und verantwortlich zu sein. Wir haben uns als Gemeindeleitung
entschieden, uns an Öffnungsschritten für den Einzelhandel zu orientieren. Wenn Läden
geöffnet sind, sollten Kirchen nicht geschlossen bleiben. Aber weiterhin gilt: wir bleiben
vorsichtig, halten Abstand und Hygienekonzepte ein - niemand soll durch einen
Gottesdienstbesuch gefährdet werden.

So wie die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Coronavirus für einige
Diskussionen gesorgt hat, so war es im vergangenen Jahr auch mit dem anderen großen
Thema, das uns beschäftigt hat: Das Jahresthema „Vielfalt.leben“ spielte in vielen
Gottesdiensten eine Rolle. Dass wir eine Gemeinde sind, in der die unterschiedlichsten
Menschen Platz und eine Heimat haben sollen, das steht schon viele Jahre in unserem
Vielfaltspapier. 2020 haben wir es nochmal konkreter thematisiert. Wie ist das zum
Beispiel mit der „Ehe für alle“, die da auch im Papier steht. Was sagt die Bibel dazu? Weiles da ja durchaus kontroverse Ansichten gibt, haben wir genau das an einem
Sonnabendvormittag auf einem Gemeindeforum thematisiert. Und später nochmal in einer
Gemeindeversammlung. Die fand coronabedingt ausschließlich digital per Videokonferenz
und Telefon statt – mit einer für Gemeindeversammlungen rekordverdächtigen
Teilnehmendenzahl. Das Votum war
eindeutig: wir sind sehr dankbar für die große Vielfalt in unserer
Gemeinde – unabhängig von Alter, sexueller Orientierung, Herkunft oder woraus auch
immer man ein Problem machen könnte. Wir sind froh und sehr dankbar über alle, die zu
uns kommen - und erleben auch das als großen Segen.

Unsere Gemeinde ist in den vergangenen Jahren vielfältiger und bunter geworden - das
geht nicht ganz konfliktfrei. Wenn Menschen mit zum Teil völlig unterschiedlichen
Lebensgeschichten und Erfahrungen aufeinandertreffen, dann ist das eine
Herausforderung. Aber genau das macht Gemeinde aus, das macht Gemeinde zu einem
lebendigen Ort. Und wo sonst, als dort, wo das große, vielfältige Reich Gottes mitgebaut
wird, kann das gelingen? Die Mitgliederversammlung vom 31. Januar hat das in
eindrucksvoller Weise zum Ausdruck gebracht. Viele Leute haben dort erklärt, wie wichtig
und wertvoll für sie eine vielfältige Gemeinde ist. Auch wenn es eine
Mitgliederversammlung war, die nicht vor Ort in der Kirche stattfinden konnte, hat man
über die Weiten des Internets und des Telefonnetzes eine tiefe Verbundenheit gespürt -
ein wundervoller Moment, der uns als Gemeindeleitung tief beeindruckt hat.

Noch viel mehr gebe es zu berichten: von unseren Jazzgottesdiensten, die seit diesem
Jahr einmal im Monat stattfinden (dank Corona auch jedesmal übertragen im Internet).
Oder zum Beispiel von den Smartphonekursen, die auch erst abrupt unterbrochen wurden,
im Sommer weitergeführt wurden und - nicht zuletzt auch wegen Corona einen hohen
Zulauf hatten und von denen gleich mehrere Teilnehmende auch an Spur 8 teilgenommen
haben. Oder wir können berichten von vielen sehr bewegenden einzelnen Initiativen, wo
Menschen aus der Gemeinde andere besucht, angerufen, Hilfe angeboten haben oder
einfach nur in diesen seltsamen Zeiten füreinander da waren. Oder von den Menschen,
die in großer Treue dafür sorgen, dass es die sonntäglichen Übertragungen gibt, die
Kameras bedienen, den Ton mischen, auf- und abbauen und dabei nie zu sehen sind.
Oder aus dem Kirchenasyl, wo der eine endlich seine Aufenthaltsgenehmigung erhalten
hat und andere den Lockdown nochmal unter verschärften Bedingungen erleben mussten
- und es auch dort Menschen gab, die in großer Not Beistand und Hilfe geleistet haben.
Oder von einem Krippenspiel als spektakuläre Fotostory. Dem coroangerechten
Friedenszeichen unter freiem Himmel. Oder dem noch coronagerechteren
Friedenszeichen per Zoomkonferenz. Oder Neuigkeiten aus dem Spielhaus: dass es da
jetzt eine Sprachförderung gibt und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort mit
großem Engagement ein spezielles Coronaprogramm für die Kinder aus dem Kiez auf die
Beine gestellt haben. Dieses Jahr hat viel gefordert, aber auch viel segensreiches
hervorgebracht. So vieles, dass hier gar nicht alles in den Bericht passt, aber wir einfach
nur Gott unendlich dankbar sein können für diese große Vielfalt an Begabungen und
Engagement in der Gemeinde.

Natürlich vermissen wir auch ganz, ganz viel: besonders die
Präsenzgottesdienste, das gemeinsame Singen, unser Friedenszeichen. Schlicht und
ergreifend die Gemeinschaft miteinander, spontane Begegnungen, sich einfach mal wieder
in den Arm zu nehmen.

Irgendwann wird all das wieder möglich sein. Solange blicken wir dankbar auf das, was
uns trotz aller Einschränkungen in diesem sehr besonderen Jahr geschenkt wurde. Undfreuen uns auf das, was kommen wird: Gottesdienste vor Ort, dazu tolle
Gemeindefreizeiten, rappelvolle Konzertabende, Weihnachts- und Ostergärten...

Der Jahresbericht ist damit noch längst nicht vollständig. Gerade nach diesen 12 sehr
ungewöhnlichen Monaten, in denen es nicht zuletzt an persönlichen Begegnungen
gemangelt hat, ergibt sich aus unserer Sicht erst ein komplettes Bild, wenn wir alle
miteinander unsere Erfahrungen, Gedanken und Wünsche teilen. Deshalb haben wir euch
unseren Bericht hier schon vorab in Schriftform übermittelt und werden in der
Jahresgemeindeversammlung auch nur sehr kurz darauf eingehen.

Denn vor allem möchten wir miteinander in den Austausch kommen. Wir freuen uns, wenn
jede und jeder, die und der möchte, uns als Gemeinde teilhaben lässt: an seinen
persönlichen Gemeinde-Eindrücken aus dem Coronajahr.

Es wäre schön, wenn du dir vorab schon einmal Gedanken machen kannst, über die
folgenden drei Fragen und dich dann am Austausch in der Mitgliederversammlung
beteiligst. Wenn du willst, kannst du uns die Antworten auch schriftlich zukommen lassen.
Die gesammelten Statements sollen dann in den endgültigen Jahresbericht mit einfließen:

Was hast du in den vergangenen 12 Monaten in der Friedenskirche am meisten vermisst?

Welcher Moment ist dir am meisten im Gedächtnis geblieben?

Wo, wann oder wie hast du trotz aller Einschränkungen Gottes Segen erlebt?

Wir freuen uns auf eine tolle Gemeinschaft in der Mitgliederversammlung und einen
fröhlichen Austausch miteinander.